
Warum bei Ryanair ein Umdenken einsetzen muss, habe ich bei den Kollegen von mephisto 97.6 erklärt:
Die Mitarbeiter wollen mit dem Streik für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Gehälter kämpfen. Hintergrund ist die Forderung nach einem branchenüblichen Tarifvertrag für alle Piloten. Bislang gibt es große Lohnunterschiede innerhalb des Unternehmens. Piloten, die auf den Basen in Irland oder Großbritannien stationiert sind, werden beispielsweise deutlich besser bezahlt als ihre Kollegen in Polen oder Rumänien.
Bessere Arbeitsbedingungen
Um Geld geht es den streikenden Piloten aber nur bedingt. Viel wichtiger ist ihnen, dass sich auch die Arbeitsbedingungen bei Ryanair nachhaltig verbessern. Das hat die deutsche Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) zuletzt immer wieder betont. Ein großes Problem beim irischen Billigflieger sei nicht zuletzt die Dienstplanung der Cockpitbesatzungen. Erst im vergangenen Winter musste die Fluggesellschaft einige tausend Flüge annullieren, weil zahlreiche Piloten ihre Maximalzahl an jährlichen Flügen bereits absolviert hatten.
Novum für Ryanair
Dass Mitarbeiter für ihre Forderungen in den Streik treten, ist für das Management der Airline eine ganz neue Erfahrung. Denn seit die Iren vor 25 Jahren auf das Billigflugkonzept umgestellt haben, konnten sie sehr erfolgreich verhindern, dass sich die Mitarbeiter gewerkschaftlich organisieren. Gelingen konnte das, weil ein Großteil der Mitarbeiter über Zeitarbeitsfirmen für Ryanair arbeitet. Zudem gab es immer wieder Vorwürfe vonseiten der Mitarbeiter, dass sie von der Geschäftsführung eingeschüchtert worden seien. Wie tief der Frust bei den Mitarbeitern der Airline sitzt, lässt sich erahnen, wenn man einen Blick auf die Ergebnisse der Urabstimmung wirft. So haben sich 96 Prozent der deutschen Piloten im Juli für einen Streik ausgesprochen.
Verantwortung bei den Passagieren
Nur das Management für diesen Zustand verantwortlich zu machen, greift aber zu kurz. Natürlich hat die Ryanair-Leitung unter Führung von Michael O’Leary mit ihrem Verhalten einen solche Entwicklung geradezu heraufbeschworen. Aber es sind letztendlich die Passagiere, die sich für einen Flug mit Ryanair entschieden haben. Und wer guten Gewissens für 20 Euro in den Urlaub fliegen will, der muss vor den zahlreichen Erfahrungsberichten der Ryanair-Mitarbeiter förmlich die Augen schließen. Denn die Personalkosten sind einer der wenigen Stellschrauben, die den Billigfliegern zur Verfügung stehen. Flugzeuge, Kerosin, Landegebühren und Steuern müssen von allen Airlines bezahlt werden – von Ryanair wie auch von Lufthansa.
Weitere Streiks möglich
Die VC zeigte sich am Mittag sehr zufrieden mit dem Verlauf des Arbeitskampfes, wie ihr Sprecher Janis Schmitt mitteilte: „Wir hoffen, dass Ryanair unser Signal verstanden hat und dann zu ernsthaften Verhandlungen bereit ist.“ Sollte die Airline dazu jedoch nicht bereits sein, könne sich die Gewerkschaft aber durchaus weitere Streiktage vorstellen. Die Ansage für Ryanair ist klar: Das bisherige Geschäftsmodell muss umgestellt werden. Denn die Fluggesellschaft steht mit dem Rücken zur Wand. Weitere Streiks würden das Vertrauen der Kunden nachhaltig beeinflussen und so auch den Gewinn der Iren gefährden.
Geschäftskonzept muss auf den Prüfstand
Ryanair hat sich das sogenannte Low-Cost-Konzept der Billigflieger von der amerikanischen Southwest Airlines abgeschaut und erfolgreich in Europa etabliert. Doch anders als die Iren, hat Southwest in den vergangenen Jahren sein Geschäftskonzept immer wieder auf den Prüfstand gestellt und entsprechend angepasst. Das ist einer der Gründe, dass Southwest in den USA nicht nur zu einer der größten, sondern auch zu eine der beliebtesten Airlines gewachsen ist. Auch Ryanair wird sich nun Gedanken machen müssen, wie man in Zukunft fliegen will. Andernfalls droht der Airline ein Schicksal wie anderen Branchengrößen wie der Air Berlin, die den Wandel der Zeit verschlafen haben.