Heute wählt Spanien ein neues Parlament. Während die konservative Volkspartei zurück an die Macht will, wollen die Sozialdemokraten klare Verhältnisse schaffen. Doch der Katalonien-Konflikt spaltet das Land nach wie vor.

Eigentlich wäre es ja noch gar nicht soweit gewesen. Doch weil der Haushaltsplan seiner Minderheitsregierung vom Parlament abgelehnt wurde, sah sich Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez im Februar gezwungen, Neuwahlen auszurufen.
Zu diesem Zeitpunkt regierte die sozialdemokratische Minderheitsregierung unter der Führung von Sánchez gerade einmal neun Monate. Zudem waren sie nach dem Sturz des konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy auf die Stimmen zweier separatistischer katalanischer Parteien im Parlament angewiesen.
Gescheiterter Haushaltsplan
Anders als sein Vorgänger Rajoy setzte Sánchez im Konflikt mit Katalonien daher auch auf Entspannung statt auf Konfrontation. So wollte er die geplanten Investitionen für die autonome Region Katalonien etwa deutlich erhöhen. Den Separatisten ging dieses Entgegenkommen aus Madrid aber nicht weit genug.
Einen Tag vor der Haushaltsabstimmung begann zudem der Prozess gegen 12 katalanische Politiker vor dem Obersten Gerichtshof Spaniens wegen ihrer Rolle als Befürworter des für verfassungswidrig erklärten Unabhängigkeitsreferendums Kataloniens. Die Separatisten stimmten deshalb gemeinsam mit den rechten Oppositionsparteien gegen den Haushaltsplan der Minderheitsregierung und machten Sánchez‘ Regierung faktisch handlungsunfähig.
Die unbeantwortete Katalonien-Frage
So ist es auch keine Überraschung, dass die Einheit Spaniens ein allgegenwärtiges Thema im Wahlkampf war. Vor allem in den Kampagnen der konservativen und rechten Parteien tauchten immer wieder die Motive Vaterland, Stierkampf und die spanische Vergangenheit auf. Die konservative Volkspartei Partido Popular (PP) und die rechtspopulistische Partei Vox eröffneten ihren Wahlkampf sogar mit Prozessionen und Gebeten.
Vor allem in der Katalonien-Frage zeigt sich, wie zerrissen die politische Landschaft Spaniens ist – und wie tief mittlerweile die Kluft zwischen Madrid und Barcelona.
Während die rechtsliberale Partei Ciudadanos den Regierungschef Sánchez schon dafür kritisiert, überhaupt Gespräche mit dem Präsidenten der katalanischen Regionalregierung zu führen, warnt die linkspopulistische Podemos-Partei davor, dass es schwierig sei, das Zusammenleben der Spanier auf aggressive Weise wiederherzustellen.
Aber auch für die Konservativen war das Gesprächsangebot an Barcelona unerträglich. Die Zeitung „El País“ zählte zahlreiche Beleidigungen auf, die der PP-Spitzenkandidat Pablo Casado in einer Rede Anfang Februar Ministerpräsident Sánchez an den Kopf warf: „Verräter, notorischer Lügner, Egozentriker, Machtbesessener, Schande für Spanien“.
Offener Schlagabtausch im Fernsehen
Wie tief der Graben zwischen dem linken und dem rechten Lager im Land ist, konnten die Spanier auch live im Fernsehen verfolgen. Die Spitzenkandidaten der Parteien traten gleich in zwei Fernsehdebatten gegeneinander an.
Während es in der ersten Ausgabe der Debatte noch höflich zuging, herrschte tags darauf zur zweiten Ausgabe ein deutlich rauerer Ton im Studio. Provokationen und persönliche Angriffe prägten die Debatte, in der der bisherige Regierungschef Sánchez für seine Katalonien-Politik immer wieder in die Enge getrieben wurde.
Knappe Mehrheitsverhältnisse wahrscheinlich
Auch wenn die meisten Umfragen den Kandidaten der rechtsliberalen Ciudadanos, Albert Rivera, als Sieger der Debatten sehen, ist ungewiss, ob sich das in den Wahlergebnissen widerspiegeln wird. Denn rund 40 Prozent der Spanier wussten am Ende der Woche noch nicht, wen sie am Sonntag wählen würden. Aus allen Umfragen ging Ministerpräsident Sánchez jedenfalls als Favorit hervor. Seine sozialdemokratische PSOE stand demnach bei rund 30 Prozent und würde damit stärkste Kraft in Spanien werden.
Für Ciudadanos dürfte es den Umfragen zufolge lediglich für den dritten Platz hinter der bürgerlich konservativen Volkspartei PP reichen, hinter ihnen liegen die linkspopulistische Podemos und die Rechtspopulisten von Vox. Zwar liegen die beiden katalanischen Separatistenparteien in den Umfragen derzeit bei deutlich unter 5 Prozent. Sie könnten aber das Zünglein an der Waage werden und darüber entscheiden, welche Koalition nach der Wahl die besten Chancen hat.
Rechts oder Links?
Weil die Sozialdemokraten die absolute Mehrheit deutlich verpassen dürften, wären sie für eine neue Regierungsbildung auf die Unterstützung von sowohl Podemos als auch den kleinen katalanischen Parteien angewiesen. Doch nicht nur eine linke, auch eine rechte Regierung könnte nach der Wahl in Spanien möglich sein. So arbeiten PP und Ciudadanos bereits seit Januar in Andalusien in einer Minderheitsregierung zusammen, unterstützt von den Rechtspopulisten Vox .
Da die politische Landschaft in Spanien zersplittert und polarisiert ist, dürfte die Regierungsbildung schwierig werden. Bereits nach der Parlamentswahl 2016 hatte es nach monatelangen Verhandlungen eine zusätzliche Neuwahl gebraucht, bis die neue Regierung stand. Theoretisch wäre auch eine erneute Minderheitsregierung denkbar. Ob die aber durchsetzungsfähig wäre, ist eine andere Frage.