
Die Kolumne zum Nachhören finden Sie hier:
„Bitte sei mindestens 1,78 m groß“ heißt es da oft. Doch das geforderte männliche Mindestmaß variiert natürlich. Von 1,70 bis 2,00 Meter ist da so ziemlich alles vertreten und wenn man – wie ich selbst nun auch – dieses Mindestmaß nicht erreicht, dann ist Schicht im Schacht. Jeder hat natürlich so seine Vorlieben, da will ich mich gar nicht ausschließen. Aber das muss ja noch nichts heißen. Denn auch ich, der sich eher nach Frauen in meiner Größe umschaut, habe mich doch tatsächlich einmal in eine Dame verliebt, die etwas größer war als ich.
Unveränderbare Eigenschaft
Aber eins wurmt mich wirklich. Es ist die Tatsache, dass eine unveränderbare Eigenschaft – also die Körpergröße – ein kategorisches Ausschlusskriterium ist. Wenn ich zu dick oder zu dumm bin oder meine Haare zu lang sind, kann ich das alles ändern. Doch an der Körpergröße verändert weder das Fitnessstudio noch der Friseur oder die Abendschule was – das hat der liebe Gott fix gemacht.
Doch die Benachteiligung des kleinen Mannes erlebt man nicht nur auf den Datingportalen unserer Zeit. Auch der kleine Mann im übertragenen Sinn hat es nicht leicht.
Kleiner Mann im Straßenverkehr
Zum Beispiel der Radfahrer. Als Verkehrsteilnehmer ohne schützende Karosserie um sich herum gehören sie zweifelsohne zum Prekariat des Straßenverkehrs. Das radelnde Volk muss sich die Straße nämlich mit völlig übermotorisierten Mitmenschen teilen, die oft schon mit einer Pferdestärke unterm Hintern maßlos überfordert wären. Ein Radwegenetz für Leipzig wird seit Jahren gefordert, doch passieren tut da leider nicht viel, denn das interessiert ja – richtig geraten – wieder nur den kleinen Mann. Die Folge dessen haben erst am Mittwoch wieder drei Radfahrer zu spüren bekommen, als sie von Vorfahrt missachtenden Autos auf die Haube genommen wurden.
Kleiner Mann am Bratwurstgrill
Oder kennen sie Jürgen & Jürgen im Leipziger Westen an der Karl-Heine? Ein kleiner Bratwurststand, betrieben von zwei ehemaligen Hartz-IV-Empfängern die sich selbstständig gemacht haben. Ende März sollten sie an ihrem Standort direkt am Karl-Heine-Platz die Segel streichen, weil das Grünflächenamt der Stadt die Bratwurst bei der Umgestaltung des Platzes nicht bedachte. Nur dank einer Petitionskampagne konnte die Stadt umgestimmt werden. Der „kleine Mann“ hat hier also tatsächlich mal die Oberhand behalten.
Diese Geschichte macht mir irgendwie Mut. David gegen Goliath mitten hier im kleinen Leipzig. Vielleicht sollte ich mich mit meinem nächsten auf Größe fixierten Tindermatch auch bei Jürgen & Jürgen treffen – da schmeckt zumindest die Bratwurst.