Flugzeugbau am LEJ: Sparsamer Flieger als Antwort auf die Klimakrise

Die Luftfahrt steckt in der Krise. Nicht erst, weil seit Corona kaum noch geflogen wird. Denn schon seit Jahren wächst das Umweltbewusstsein der Menschen und Fliegen ist die mit Abstand klimaschädlichste Form der Fortbewegung. Am Flughafen Leipzig/Halle soll nun ein Flugzeug gebaut werden, das die Entwicklung hin zu einer emissionsfreien Luftfahrt beschleunigen soll.

Der Flugzeugbauer Deutsche Aircraft will am Flughafen Leipzig/Halle moderne und sparsame Flugzeuge vom Typ D328eco bauen. (Grafik Deutsche Aircraft)

Eigentlich wäre an den Flughäfen jetzt kurz vor Weihnachten viel los. Die einen hätten die Feiertage gern im warmen Süden verbracht, andere wären lieber zurück in die Heimat gekommen, um die Festtage bei ihren Lieben zu verbringen. Doch statt Trubel und Hektik herrscht in den meisten Abflughallen verschlafene Ruhe. Denn wegen der anhaltenden Corona-Pandemie bleiben aktuell rund 90 Prozent aller Flüge am Boden.

Mitten in dieser mit Abstand wohl größten Krise in der Geschichte der Luftfahrt stellte Anfang der Woche ein noch junger Flugzeugbauer – die Deutsche Aircraft – ein noch in der Entwicklung steckendes neues Regionalflugzeug vor, dass am Flughafen Leipzig/Halle gebaut werden soll. Die Pläne für den Bau eines Flugzeugs am Airport waren zwar schon länger bekannt, doch mitten in der Corona-Krise hat kaum jemand damit gerechnet, dass das ambitionierte Projekt weiter realisiert wird.

Auslieferung ab 2025

Bereits 2025 sollen nun die ersten Maschinen vom Typ D328eco aus der Produktion auf dem Gelände des Flughafens Leipzig/Halle an Kunden ausgeliefert werden. Die Kabine des neuen Kurzstreckenfliegers soll bis zu 43 Passagiere Platz bieten.


Wer ist Deutsche Aircraft?

Deutsche Aircraft ist der Name des Herstellers, der sich vor einem Jahr auf der nationalen Luftfahrtkonferenz am Flughafen Leipzig/Halle erstmals öffentlich präsentierte. Das Unternehmen ist eine Tochter der Sierra Nevada Corporation aus den USA, die zuletzt vor allem Raumfähren für die US-Weltraumbehörde NASA entwickelte. Die Deutsche Aircraft will mit dem neuen Werk am Flughafen Leipzig/Halle und einer eigenen Entwicklungsabteilung in Oberpfaffenhofen bei München eigenen Angaben zufolge rund 400 neue Arbeitsplätze schaffen.


Auch die Leistungsdaten des Fliegers stechen hervor: 600 km/h Reisegeschwindigkeit, 2.000 Kilometer Reichweite, über 9.000 Meter Flughöhe und nur 1.000 Meter Startstrecke. Zusammen mit einem speziell entwickelten Propeller und modernen Triebwerken soll das Flugzeug nicht nur vergleichsweise leise, sondern auch sparsam sein.

Sparsamer als die Lufthansa-Flotte

Wie das Luftfahrtportal „aerotelegraph“ berichtet, rechnet der Flugzeugbauer Deutsche Aircraft mit einem Kerosinverbrauch von 2,6 Liter pro Passagier und 100 Kilometer. Zum Vergleich: Die Kurzstreckenflugzeuge der Lufthansa-Flotte benötigen durchschnittlich fast 6 Liter Kerosin, also mehr als doppelt so viel Treibstoff. Außerdem soll die Maschine problemlos mit synthetischen Kraftstoffen betrieben werden können, die auf Basis von Pflanzenölen oder aus Algen hergestellt werden.

Das erklärte Ziel des Flugzeugbauers Deutsche Aircraft ist es, mit dem neuen Flugzeug die ökologische Entwicklung in der Luftfahrt zu beschleunigen. Deutsche Aircraft Chef Dave Jackson ist von den Qualitäten seiner neuen Maschine auch voll und ganz überzeugt. Er meint: „Die D328eco ist die einzige Plattform, die in der Lage ist, den grünen Wandel der Branche voranzutreiben.“

Die D328eco soll zukünftig nicht nur als Passagierflugzeug genutzt werden. Hersteller Deutsche Aircraft will die Maschine deshalb in unterschiedlichen Konfigurationen auf den Markt bringen. (Grafik Deutsche Aircraft)

Luftfahrt sucht Wege aus der Klimakrise

Der grüne Wandel ist auch dringend erforderlich. Denn in den letzten Jahren ist immer häufiger von „Flugscham“ die Rede – also dem schlechten Gewissen Flugreisender. Denn in der allgegenwärtigen Klimadiskussion ist auch das Umweltweltbewusst der Fluggäste in den vergangenen Jahren gewachsen. Vor allem auf Kurz- und Regionalverbindungen war das schon vor der Corona-Krise zum Teil deutlich zu spüren. Ein Trend von dem zuletzt vor allem Bahn- und Fernbusunternehmen profitierten.

Immerhin ist die Zivilluftfahrt je nach Berechnung für rund zwei bis fünf Prozent des weltweit vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Das scheint zwar nicht so viel. Aber die auf den Reiseflughöhen ausgestoßenen Abgase sind wesentlich klimaschädlicher als am Boden. Oft unterschätzt werden vor allem die Kondensstreifen. Sie können beim Fliegen in großen Höhen entstehen und verhindern das Abstrahlen von Licht und Wärme von der Erde ins Weltall. Sie halten praktisch die Wärme wie eine Glocke in der Atmosphäre und verstärken somit die Klimawirkung des Luftverkehrs.

Deshalb versucht die Luftfahrt schon seit längerem Wege zu finden, das Fliegen effizienter und umweltfreundlicher zu gestalten. Vergangenes Jahr traf sich die Branche daher mit der Bundesregierung am Flughafen Leipzig/Halle zur ersten nationalen Luftfahrtkonferenz. Mit dabei war Bundeskanzlerin Angela Merkel, die für nachhaltige Innovationen in der Branche warb. Eine dieser Innovationen könnte die D328eco sein.

Starthilfe vom Bund für neuen Flieger

Die Bundesregierung scheint von dem neuen Flugzeug überzeugt zu sein. Denn das Projekt erhält einen stattlichen Förderkredit von rund 125 Millionen Euro. Der Luftfahrtkoordinator der Bundesregierung, Thomas Jarzombek, erhofft sich davon aber auch eine Stärkung des Luftfahrtstandorts Deutschland: „Mit der Entwicklung der D328eco werden Kernkompetenzen im Flugzeugbau in Deutschland wieder erlangt, die wir vor Jahren mit den Insolvenzen von Fokker und Dornier verloren haben.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel warb schon bei der ersten nationalen Luftfahrtkonferenz vor einem Jahr für nachhaltige Innovationen in der Luftfahrt. Damals präsentierte Deutsche Aircraft noch das ursprüngliche Dornier-Modell, aus der nun die D328eco entstehen soll. (Foto Kompetenzzentrum Luft- und Raumfahrttechnik Sachsen/Thüringen e.V.)
Dornier hat einst den Vorgänger der nun vorgestellten D328eco entwickelt und produziert. Es war das bislang letzte Verkehrsflugzeug, das vollständig in Deutschland entwickelt und gebaut wurde. Zwar sind noch heute etwa die Hälfte aller gebauten Maschinen im Einsatz, aber Deutsche Aircraft rechnet in den kommenden Jahren mit einer großen Nachfrage für die Neuauflage des Kurzstrecken-Flugzeugs. Vor allem, weil die D328eco aufgrund ihrer Größe bislang ohne nennenswerte Konkurrenz fliegen würde.

Trend Direktflug: Warum kleinere Flugzeuge gefragt sind?

Der D328eco in die Hände spielen könnten auch die sich im Wandel befindlichen Reisegewohnheiten der Fluggäste. Vor allem große Airlines flogen bislang im sogenannte Hub-and-Spoke-System. Dabei werden viele Flüge an großen Drehkreuzen gebündelt. Weil die Fluggäste mit Zubringerflügen von weit her eingesammelt werden, können auf längeren Strecken auch große Flugzeuge wie ein Jumbojet mit vielen Passagieren gefüllt und wirtschaftlich betrieben werden.

Doch spätestens mit dem Produktionsende der Flugzeugriesen Airbus A380 und Boeing 747 zeigt sich: Der Trend geht in eine andere Richtung. Fluggäste wollen lieber möglichst direkt und ohne lästiges Umsteigen von A nach B reisen – das sogenannte Point-to-Point-System.

Flugzeugbauer Deutsche Aircraft geht davon aus, dass die Fluggesellschaften künftig vermehrt kleinere und umweltfreundlichere Flugzeuge auf solchen Verbindungen einsetzen wollen. So könnten Direktflüge, die mit großen Flugzeugen bislang nicht wirtschaftlich zu betreiben waren, mit kleineren Flugzeugen wie der D328eco realisiert werden.


Die Zukunft: Elektrisches Fliegen und Wasserstoff-Antrieb

Luftfahrtkoordinator Jarzombek sieht aber noch eine weitere Marktlücke, in die die D328eco stoßen wird: Denn das neue Flugzeug soll mittelfristig auch ein Technologieträger für alternative Flugzeugantriebe sein. Bislang geht die Bundesregierung davon aus, dass man irgendwann in den kommenden zehn bis 20 Jahren auch hybridelektrisch fliegen kann. Dafür ist die D328eco Jarzombek zufolge genau das richtige Flugzeug: „Wir können hier von der Flugzeuggröße her tatsächlich am ehesten einsteigen, um hybridelektrisch zu fliegen. Denn bevor man am Ende die heute eingesetzten großen Passagiermaschinen elektrifiziert oder mit Wasserstoff betreibt, ist sicherlich noch ein weiterer Weg zu gehen.“

Wir sehen, dass uns beim Thema elektrische Fahrzeuge ganz offensichtlich Tesla erstmal einige Schritte voraus ist. Und wir wollen unbedingt vermeiden, dass Deutschland beim Thema elektrisches Fliegen ins Hintertreffen gerät.
Thomas Jarzombek (CDU) | Koordinator der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt.
Thomas Jarzombek, der Luftfahrtkoordinator der Bundesregierung sieht auch für die Luftfahrt viel Potenzial in der E-Mobilität. (Foto BMWi/Tobias Koch)

Deutsche Aircraft Konkurrent Airbus scheint da zuversichtlicher. Bis 2035 will der europäische Branchen-Primus ein Passagierflugzeug auf den Markt bringen, das mit Wasserstoff betrieben werden kann. Die Idee, mit Wasserstoff statt Kerosin zu fliegen, ist nicht neu. Schon in den 1980er-Jahren bauten Wissenschaftler in der Sowjetunion ein Passagierflugzeug zum Wasserstoffflieger um. Durchgesetzt hat sich der Antrieb bislang aber nicht. Das liegt auch daran, dass Wasserstoff viermal mehr Volumen als gängiger Treibstoff benötigt. Und Platz ist an Bord von Flugzeugen bekanntlich ein knappes Gut.

Branchenbeobachter gehen zudem davon aus, dass für einen Durchbruch der Wasserstoff-Technologie auch die nötige Infrastruktur von der Produktion über die Lagerung bis hin zur Betankung geschaffen werden muss. Elektrische und hybridelektrische Flugzeuge könnten daher eine wichtige Rolle als Brückentechnologie spielen – die zum Teil sogar schon einsatzbereit ist. Denn bereits vor einem Jahr gelang bei Vancouver der erste Flug einer zum Elektroflugzeug umgebauten kleinen Verkehrsmaschine.

Corona-Krise: Unklare Marktsituation für neue Flugzeuge

Ob auch die D328eco diese ökologische Entwicklung in der Luftfahrt nachhaltig beeinflussen kann, wird letzten Endes aber vor allem davon abhängen wie, gut sich die Neuauflage des Dornier-Regionalfliegers in den nächsten Jahren verkaufen wird. Denn auch wenn der Flugverkehr nach der Corona-Krise in den nächsten Monaten wieder zunehmen wird, dürfte es noch Jahre dauern, bis das Vorkrisen-Niveau wieder erreicht ist.

Dass die von der Corona-Krise ohnehin bereits finanziell stark belasteten Fluggesellschaften dann gleich in moderne und damit teure Flugzeuge investieren, darf bezweifelt werden. Ob und wenn ja wie viele Vorbestellungen es für das Flugzeug aus Mitteldeutschland bereits gibt, ist unklar. Eine entsprechende Anfrage bei Deutsche Aircraft blieb unbeantwortet.