Kleiner Mann mit großer Klappe – Gregor Gysi wird 70

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Seit Jahren gehört Gregor Gysi quasi schon zum Inventar des Bundestags. Als Fraktionsvorsitzender der Linkspartei gab er von 2005 bis 2015 den Ton der Opposition an. Am Dienstag feierte der Linken-Politiker seinen 70. Geburtstag.

Gregor Gysi 2013 in Bochum (Foto Irina Neszeri | Flickr | CC BY-SA 2.0)

Will man Gregor Gysi beschreiben, dann fallen einem bestimmt eine Reihe passender Eigenschaften ein. Schließlich stand kaum ein Bundespolitiker so oft und so ausdauernd im Rampenlicht wie er. Zurückhaltung oder Bescheidenheit dürfte jedoch ganz bestimmt nicht zu diesen Eigenschaften gehören. Das hat er in den Bundestagsdebatten in den vergangenen Jahren immer wieder gezeigt.

Zwar hat er die Linke im Bundestag noch nicht in Regierungsverantwortung führen können, doch Gysi treibt die anderen Parteien auch aus der Opposition heraus vor sich her. Vor allem die FDP musste in ihrer Regierungszeit von 2009 bis 2013 ordentlich einstecken. Beispielsweise bei der Debatte über die Neuregelung der Hartz-IV-Sätze, als Gysi sich wunderte, warum die FDP überhaupt einen sozialpolitischen Sprecher hat.

„Nicht mal die FDP kann einem Neugeborenen, der ist ja gerade erst rausgekommen, vorwerfen, dass er Leistungsdefizite zu vertreten hätte.“

Vor allem bei finanzpolitischen Themen zweifelte der Sozialist immer wieder die Regierungsfähigkeit der Liberalen an.

„Und jetzt gibt es nur noch zwei Möglichkeiten für die FDP. Entweder sie treten heute aus der Regierung aus oder sie hören mit ihrem Geschwätz auf.“

Verärgerte Töne bleiben bei Gysi jedoch eine Seltenheit. Denn auch in hitzig geführten Debatten, glänzen seine Reden vor allem mit Witz.

„Ich muss Sie fragen, Herr Schäuble: Stimmt es, dass Sie ernsthaft darüber nachdenken, die Bundesstraßen zu verkaufen? Eines sage ich Ihnen, Herr Schäuble: Wenn das je passieren sollte, dann muss ich Ihnen ein bisschen drohen. Dann werde ich mit allen Mitteln versuchen, die Straße zu kaufen, in der Sie wohnen. Dann wird es für Sie sehr teuer, wenn Sie nach Hause wollen.“

Drohungen sind überhaupt ein beliebtes Stilmittel des charmanten Politikers.

„Ich überlege mir, ob ich ihnen drohe, indem ich sage, dass ich doch vielleicht versuchen werde, solange im Bundestag zu bleiben, bis in Ost und West und die Frauen und die Männer endlich für gleiche und gleichwertige Arbeit in der gleichen Arbeitszeit den gleichen Lohn und für die gleiche Lebensleistung die gleiche Rente erhalten. Wenn ich das androhte, sollte es doch ein gewisser Ansporn sein, dass möglichst schnell zu erledigen.“

Trotz solcher Ansagen blieben die Regierungsparteien aber meist bei ihren Positionen. Vor allem beim Thema Umwelt zeigt Gysi dafür kaum Verständnis.

„Frau Bundeskanzlerin, warum können Sie diesen Bossen nicht einmal erklären, nicht kurzfristig, sondern langfristig zu denken? Selbst jemand, der den Kapitalismus ganz toll findet, kann ihn nur erleben, wenn es die Menschheit noch gibt. Ich begreife es überhaupt nicht, warum sie so uneinsichtig sind.“

Beim Thema Atomausstieg stellte sich für ihn sogar die Systemfrage.

„Eine Sache müssen Sie mir mal erklären. Sie haben heute gesagt, dass der Ausstieg aus der Atomenergie eine Revolution ist. Im Dezember 2010 haben sie uns erklärt, dass die Verlängerung der Atomenergie eine Revolution ist. Ich finde sie sollten innerhalb der Union mal klären, was eigentlich eine Revolution und was eine Konterrevolution ist, damit man sich darüber verständigt.“

Vor allem Sigmar Gabriel und die Sozialdemokraten haben es nicht leicht, wenn Gysi das Wort hat.

„Herr Gabriel, ich habe Ihnen genau zugehört. Was haben Sie denn gesagt? Sie haben gesagt, der Krieg ist richtig, aber Sie wollen ihn nicht so nennen. Das ist doch keine sozialdemokratische Politik. Ich bitte Sie!“

Vor allem das herzliche Verhältnis zum langjährigen Bundestagspräsident Norbert Lammert sorgte in den vergangenen Jahren für viel Heiterkeit im Bundestag und die ein oder andere Extraminute Redezeit für Gysi. Überhaupt die begrenzte Redezeit – es war in all den Jahren wohl Gysis größter Gegner im Bundestag.

Doch auch der ein oder andere humorvolle Verweis auf seine geringe Körpergröße durfte bei Gysis Auftritten natürlich nicht fehlen.

„Frau Homburger, an Ihnen schätze ich am meisten, dass dieses Pult hochgefahren werden muss, wenn Sie vor mir gesprochen haben. Das ist bei mir so selten der Fall.“

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